Ein Kontinent der Gründerinnen
Auf den Märkten und entlang der Straßen afrikanischer Metropolen findet im Stillen eine Revolution statt. Sie macht sich nicht nur im Wachstum von Wolkenkratzern und Tech-Hubs bemerkbar – sondern sie wird vor allem von Frauen verkörpert. Sie stehen an der Spitze der Innovation. Sie bauen Stereotypen ab. Sie prägen die wirtschaftliche Topografie des Kontinents neu. Wer sich in der afrikanischen Start-up-Szene umschaut, stellt fest: Die Zukunft ist weiblich.
Nzambi Matee, 32, eine Unternehmerin aus Nairobi, ist die Gründerin von Gjenge Makers. Das Start-up presst Pflastersteine aus Plastikabfällen und geht damit gleich zwei Probleme an. Erstens, die immer weiter steigenden Preise für Baumaterialien in Kenia. Und zweitens, die Umweltverschmutzung, die mit der unsachgemäßen Entsorgung von Plastikabfällen einhergeht.
In ihrer Fabrik in Nairobi steht Matee inmitten der Früchte ihrer Arbeit, gekleidet in den blauen Overall ihres Berufes, und hält einen Ziegelstein aus recyceltem Kunststoff in der Hand, ihren Beitrag zu einer grüneren Welt. Matee ist nicht nur eine Geschäftsfrau, sondern auch eine Umweltschützerin. Ihr Weg von der Idee bis zur erfolgreichen Gründung ihres Start-Ups steht stellvertretend für den Aufstieg vieler afrikanischer Frauen. Matee ist Teil einer wachsenden Zahl von Gründerinnen, die nicht nur an der Geschäftswelt teilhaben, sondern auch deren Parameter neu definieren, indem sie Unternehmen gründen, die sich mit sozialem Wandel und der Verbesserung der Lebensumstände befassen.
„Gründerinnen in Afrika warten nicht auf den Wandel; wir sind der Wandel“, sagt Matee. „Wir schaffen von Grund auf neue Möglichkeiten und verwandeln Herausforderungen in Chancen. Wir tun das für uns selbst, für unsere Gemeinschaften und für die Zukunft des Kontinents.“
Widerstandsfähigkeit und Improvisationstalent – das waren schon immer Teile der afrikanischen Kulturen und ihrer Menschen. Aber vor allem gilt das für die Frauen des Kontinents. Seit Jahrhunderten sind sie die Hüterinnen des Wohlergehens ihrer Gemeinschaften. Doch lange wurde ihr Potenzial durch enge traditionelle Rollen und begrenzten Zugang zu Ressourcen eingeschränkt. Diese kulturellen Fesseln diktierten ihren Platz innerhalb der Familie – und verhinderten ein breiteres gesellschaftliches Engagement.
Doch jetzt ändert sich das.
Immer mehr afrikanische Frauen treten aus dem Schatten und ins Licht der Öffentlichkeit. Und nirgendwo ist das spürbarer als in der Geschäftswelt. Ob in der Tech-Szene von Lagos oder in der Start-Up-Branche Nairobis – Frauen stehen an der Spitze einer wirtschaftlichen Renaissance. Sie gründen nicht nur Unternehmen, sondern räumen auch lange bestehende Barrieren aus dem Weg und bauen ganze Branchen neu auf. Fintech-Fachfrauen definieren das Wesen digitaler Transaktionen neu, Vordenkerinnen der Agrarwirtschaft stärken lokale Landwirte und setzen eine Bewegung für nachhaltige Entwicklung in Gang.
„In der Vergangenheit haben unsere Mütter aus der Not heraus kleine Unternehmen gegründet. Aber wir, die Töchter, bauen Unternehmen aus Ehrgeiz und mit einer Vision für eine nachhaltige Zukunft auf“, sagt Nzambi Matee voller Zuversicht.
Statistiken unterstreichen die zunehmende Bedeutung von Unternehmerinnen in Afrika. Laut einer OECD-Studie haben die afrikanischen Länder südlich der Sahara die höchste Rate an weiblichen Gründern weltweit. Fast 26 % der erwachsenen Frauen sind dort unternehmerisch tätig. In Europa sind es nach Angaben der Europäischen Investitionsbank nur 5,7 %. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zeigt, dass Unternehmerinnen bereits heute zwischen 250 und 300 Milliarden US-Dollar zum afrikanischen Wirtschaftswachstum beitragen, etwa 13 Prozent des BIP des Kontinents. Und hinter all diesen Zahlen stecken häufig Start-ups, die viel mehr tun, als nur Geld zu verdienen.
Ein Beispiel dafür ist die Firma von Nzambi Matee, die Plastikabfälle in langlebige Baumaterialien verwandelt. Ihr Geschäftsmodell verkörpert einen entscheidenden Grundsatz des afrikanischen weiblichen Unternehmertums: das Zusammenspiel von Rentabilität und sozialer Wirkung.
Aus einem Bericht der Vereinten Nationen geht hervor, dass Frauen in der Regel einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens – bis zu 90 % – wieder in die Bildung, Gesundheit und Ernährung ihrer Familien und Gemeinden investieren. Diese Zahl steht in krassem Gegensatz zu einer Reinvestitionsrate von gerade einmal 35 % bei Männern und unterstreicht die transformative Wirkung, die weiblich geführte Unternehmen auf die afrikanischen Volkswirtschaften und Gesellschaften haben könnten.
Doch der Aufstieg von Gründerinnen ist nicht ohne Hürden. Der Zugang zu Finanzmitteln bleibt ein hartnäckiges Hindernis: Die Afrikanische Entwicklungsbank berichtet, dass die Finanzierungslücke für Frauen in Afrika auf 42 Milliarden Dollar geschätzt wird. Wenn es um Risikokapital geht – was natürlich nur ein Teil des Bildes ist – erhalten Gründerinnen in Afrika weniger als 7 Prozent aller derartigen Finanzierungen. In Kombination mit gesellschaftlichen und systemischen Herausforderungen bedeutet das, dass Unternehmerinnen oft ein Labyrinth aus Hindernissen durchqueren müssen, um ihre Visionen zu verwirklichen.
„Ich sehe Herausforderungen als Sprungbretter für uns“, sagt Matee. „Jedes Nein hat mich nur in meiner Entschlossenheit bestärkt, etwas aufzubauen, innovativ zu sein und anderen Frauen den Weg zu ebnen.“
Das wachsende Ökosystem zur Unterstützung von Frauen in der Wirtschaft – von Start-Up Acceleratoren über Investitionsfonds bis hin zu Mentorenprogrammen – erleichtert Frauen wie Matee ihren Kampf. Digitale Plattformen und Technologien demokratisieren immer mehr den Zugang zu Märkten und Finanzmitteln und lassen eine neue Ära der Inklusivität und Vielfalt im Unternehmertum beginnen.
Es ist immer offensichtlicher, dass Afrika an der Schwelle einer unternehmerischen Renaissance steht, angeführt von Frauen wie Nzambi Matee. „Dies ist erst der Anfang“, erklärt Matee mit unerschütterlicher Überzeugung. „Wir öffnen nicht nur Türen, sondern bauen ein ganz neues Gebäude, in dem Frauen als Vorkämpferinnen des Wandels und Architektinnen einer inklusiven und wohlhabenden Zukunft regieren.“